Mein Redebeitrag für die Christians for Future anlässlich des Globalen Klimastreiks am 19.03.2021
„No more empty promisses“ – nicht noch mehr leere Versprechen! Wir sind es leid! Wir wollen Taten sehen! Die Ungeduld ist mit diesen leeren Kartons wortwörtlich zu greifen! Wir lassen uns nicht mehr verschaukeln!
Warum um Himmels willen geht es nicht weiter? Wie kann es sein, dass eine Bewegung wie Fridays for Future, die gesellschaftlich starken Rückhalt hat, über ein Jahr Freitag für Freitag bundesweit die Schulen bestreikte und dann im September 2019 allein in Deutschland 1,4 Millionen Menschen auf die Straße brachte, der Regierung kein dem Paris-Übereinkommen konformes Klimaschutzprogramm abringen konnte? – Nicht nur ich – viele von uns fragen sich das!
Die erste, banale Antwort: Wir sind noch zu wenige. Verschiedene einflussreiche Institutionen halten sich noch zurück. An dieser Stelle muss ich leider meine eigene Kirche nennen, die – zumindest in Dortmund und im Bistum Paderborn und darüber hinaus – weit hinter der evangelischen hinterherhinkt. Klar, man kann kluge Verlautbarungen der katholischen Bischöfe zum Klimaschutz lesen – aber was die Praxis betrifft, sowohl den praktischen Klimaschutz in den Gemeinden und Bildungshäusern als auch den politischen Einsatz für Klimagerechtigkeit, – diese Praxis bleibt weitgehend Sache der berühmten Basis! Ich frage mich: Wo sind heute die renommieren Vertreter der katholischen Stadtkirche? Sehr geehrter Herr Probst Corsmeyer – sind Sie vielleicht doch unter den Demonstrierenden? – Es hätte mich gefreut! Ich hoffe, Ihre Pressestelle hat es diese Woche nicht wie letzten September versäumt, zum globalen Klimastreiktag aufzurufen!
Aber es ist nicht nur der Punkt, dass wir zu wenige sind. Ich möchte etwas tiefer schauen und Selbstkritik üben. Was ist es, was gerade uns Christen zurückhält, uns für Klimaschutz einzusetzen oder noch besser: für Klimagerechtigkeit zu kämpfen?
Mein Eindruck: Es ist ein bestimmtes Verständnis des christlichen Glaubens, das uns zurückhält. Manchmal hält es uns geradezu gefangen. Denn: Glauben wir nicht an den guten Gott? Den Gott der Liebe? Er wird doch am Ende alles gut machen! Er wird nicht zulassen, dass die Welt im Chaos versinkt!
So verständlich solche Gedanken sind, sie hindern uns, großherzig die Aufgaben anzupacken, die der historische Moment von uns fordert. Sie hindern uns, uns auf die Seite derer zustellen, die längst von den Folgen des Klimawandels, den Dürren, Überschwemmungen und Stürmen übermannt werden!
Aber es reicht nicht, wenn wir unsere Wirtschaft auf Erneuerbare Energien umstellen, sie jedoch nach wie vor auf Wachstum um jeden Preis trimmen. Die armen Länder leiden unter den Folgen des Klimawandels ohnehin sehr viel stärker als wir! Sie leiden unter den Verwüstungen, die der Abbau von Kohle, Erdgas und Öl in ihren Ländern hinterlässt. Soziale Abfederung gibt es entgegen zuvor gegebener Versprechen meist nicht!
Aber auch die Energiewende schaffen wir nicht ohne Ressourcen. Besonders wichtig ist Lithium, das für die Speicherung von Elektromobilität dringend benötigt wird.
Im Dreiländereck von Bolivien, Peru und Chile lagern 70 Prozent der weltweiten Lithiumvorräte. Der Abbau von Lithium erfolgt dort ohne die geringsten Schutzmaßnahmen zugunsten der lokalen Bevölkerung und der Tier- und Pflanzenwelt. Er lässt den Grundwasserspiegel absinken und führt zur Versalzung und Vergiftung des Grundwassers.
Mit anderen Worten: Der Lithiumabbau zerstört die Lebensgrundlagen der Bevölkerung. Clemente Flores, der Wortführer von insgesamt 33 Gemeinden in Salinas Grandes, will deshalb die Lithiumproduktion verhindern. Er hat auch eine Botschaft für Europa:
„Der Abbau von Lithium für Europa und der Wechsel zum Elektroauto wird unsere Gemeinden und unsere Landschaft umbringen. Und bisher kannten wir hier keine Autos. Schon gar keine Elektroautos – die kennen wir nur vom Foto. Ihr glaubt, damit könnt ihr die Menschheit retten, aber ihr werdet uns alle umbringen.“[1]
Eine Energiewende auf Kosten der Menschen, die seit Jahrtausenden in den Salzwüsten Argentiniens leben, kann nicht der Weg in eine humane Zukunft sein! Lasst uns aufhören, das Leid der anderen, das wir selbst herbeiführen, auszublenden und so zu tun, als ginge es uns nichts an! Energiewende muss eine Wende zu Humanität und globaler Geschwisterlichkeit werden!
Wenn Klimaschutz nicht auf Klimagerechtigkeit zielt, können wir ihn gleich vergessen!
Wie kriegen wir das hin?
Wo Zerstörung geschieht, die Lebensgrundlagen zerstört, müssen wir uns mit aller Kraft dagegen stemmen: Aktive Gewaltfreiheit in Form von Blockaden, Streiks und Demonstrationen ist das Mittel der Wahl! Auch die Kolla-Gemeinden in Chile gehen diesen Weg, bislang leider erfolglos.
Ein starkes Lieferkettengesetz muss sicherstellen, dass auch die Rohstoffgewinnung, die die Basis für globale Lieferketten bildet, sozial- und umweltgerecht abläuft – auch wenn uns das mehr kostet als uns lieb ist.
Ein starkes Klimaschutzgesetz muss den Weg dafür freimachen, dass der Umstieg auf Erneuerbare 2035 abgeschlossen ist!
Ob es nun die Kulla in den Salzwüsten von Chile sind oder Menschen in Lützerath und Keyenberg, die im Rheinischen Braunkohlerevier für den Erhalt ihrer Dörfer kämpfen – die weltweite Klimagerechtigkeitsbewegung stemmt sich mit immer größerer Kraft, Ausdauer und Klarheit gegen die Extraktion von Rohsoffen.
So verteidigt sie nicht nur die Heimat der ansässigen Bevölkerung, sondern auch das globale Klima, das ein Gemeingut ist, und uns allen gehört.
Mich stimmt es heute an diesem globalen Klimaaktionstag hoffnungsvoll, uns hier in Dortmund als Teil dieser globalen Klimagerechtigkeitsbewegung erleben zu können.
Dafür danke ich euch!
[1] ttps://www.deutschlandfunk.de/lithium-abbau-in-suedamerika-kehrseite-der-energiewende.724.de.html?dram:article_id=447604